|
glossar
|
|
|
Alphorn: Dem zentraleuropäischen, alpinen Raum zugeordnetes Naturhorn aus Holz. Zeitweise in der Schweiz fast verschwunden, wurde das Alphorn vom Schweizer Tourismusgewerbe systematisch zu Werbezwecken aufgebaut, vollständig vereinnahmt und vom Jodlerverband zur Leblosigkeit vergewaltigt. Heutzutage erfährt es, selbst in eher konservativen Kreisen, eine langsame aber stete Frischzellenkur. Ursprünglich aus einer kleinen Tanne geschnitzt, die am Fuss durch Hanglage und Schneedruck leicht gekrümmt ist, werden die Instrumente heute fast ausschliesslich in modernen Arbeitsgängen hergestellt, wodurch musikalische Präzision und das Zusammenspielen mehrerer Instrumente erst möglich wurde. Der Büchel ist die kleinere, gewundene Variante des Alphornes, das Alpofon eine Eigenkonstruktion von Balthasar Streiff.
Jodel: In der alpenländischen Tradition verwurzeltes, textloses Singen auf Lautsilben. Die Bezeichnung «Jodler» ist lautmalerisch; typische Silbenfolgen sind «Johodihu», «Iohodraeho», «Holadaittijo». Charakteristisches Merkmal des Jodelns ist das schnelle, weiche Springen zwischen Brust- und Kopfregister. Die Ursprünge des Jodelns gehen auf vorkeltische Zeiten zurück: Jodelnd verständigten sich Hirten und Sammler, Waldarbeiter und Köhler. Von Alp zu Alp wurde mit Alpschrei oder Juchzer kommuniziert. Jodel-Kommunikationsformen existieren auch bei den afrikanischen Pygmäen, bei den Eskimos, im Kaukasus, in Melanesien, in China, Thailand und Kambodscha, in Spanien [«Alalá»], in Lappland [Joik], in Schweden [Kulning], aber auch in Polen, Rumänien und Afrika.
Kehlkopfgesang: In Tuva, Mongolei und weiteren Ländern Zentralasiens rund um das Altaigebirge wird Obertongesang in verschiedenen Formen des Choomej [Kehlgesang] gepflegt. Im Gegensatz zum okzidentalen Obertongesang wird in dieser Technik mit viel Druck auf den Kehlkopf gesungen und damit spektakuläre Klangergebnisse erzielt. Harmonisch ist diese Technik aber eingeschränkt. Die Ursprünge des Obertongesanges findet man in den Schamanenritualen dieser Länder. Ähnliche Obertongesänge, die z.T. auch auf Untertongesang basieren, kennt man von den Xhosa in Südafrika [umngqokolo] und den Saami in Lappland [Joik]. Die Tieftongesänge der tibetischen Lamas werden gelegentlich auch in diesem Zusammenhang erwähnt, obwohl die Obertöne hier nicht gezielt als musikalische Struktur verwendet werden. Auch die Kehlgesänge der Inuit und der sardischen «cantu a tenores» sind kein Obertongesang, wie manchmal behauptet wird.
Naturtonreihe: Untemperierte Tonreihe, die sich einzig nach den physikalischen Gesetzmässigkeiten von Schwingungszahlen richtet. Der 1. Naturton entspricht dem Grundton, alle weiteren sind beim Erklingen des Grundtones fast unmerklich mitschwingende Obertöne. Obwohl deren Schwingungszahlen einfache Vielfache der des Grundtones sind [also zahlenmässig immer gleiche Abstände haben], verjüngen sich die klanglichen Abstände exponential. So sind im unteren Bereich der Naturtonreihe die Tonsprünge gross und verjüngen sich gegen oben stetig bis zum scheinbaren Glissando.
Naturtrompeten und -hörner: Ventil- und Lochlose Blasinstrumente mit konischem Rohrverlauf. Mundrohr oder Kesselmundstück für Klangerzeugung durch die Lippen. Meist aus Holz, Rinde, Horn oder Metall angefertigt. Zeitlich und geographisch in fast allen Kulturen der Welt in irgendeiner Variante vorhanden [gewesen], für Kommunikation, Hirten, Musse, religiöse Zwecke, Jagd und Krieg. Neben Namen wie Trommet, Tiba, Lituus, Carnyx, Lure, Schofar, Triton, Ragai, Lepatoru, Dung Chen, Didgeridoo, Payze, Schischeputsch u.v. a.m. tönt der des Alphornes relativ banal. Es ist aber dasjenige Naturhorn, mit dem sich vermutlich am virtuosesten blasen lässt [bis zu 20 Obertöne und mehr]. Auch die ursprüngliche, lochlose Barocktrompete gehört zu den Naturtrompeten und ist extrem schwierig zu spielen.
Obertongesang: Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum [Naturtonreihe] eines gesungenen Tones einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden [Flöten- oder Pfeifton] und der Höreindruck einer Mehrstimmigkeit entsteht. Bis zu über 14 Obertöne können aus einem einzigen Grundton herausgesungen werden. Wer die Kontrolle über diese manchmal sehr flüchtigen Töne erlangt, kann sie harmonisch vielfältig nutzen und damit zweistimmig singen. Zu unterscheiden ist der Obertongesang von Gesangtechniken, die lediglich die Klangfarbe der Stimme mit Obertönen anreichern. Die Gesangskunst wurde im okzidentalen Kulturkreis vor allem von der New Age-Szene der 1980er okkupiert und auch verklärt. In den 1960ern hatten bereits Komponisten wie La Monte Young und Karlheinz Stockhausen Obertongesang in die Avantgardemusik eingeführt.
Polyphonie: Allg. Mehrstimmigkeit durch Stimmführungen, bei Blasinstrumenten entstehende Klangvielfalt durch Spielen des Instrumentaltones und gleichzeitiger Verwendung der Stimme durch das Instrument hindurch. So entstehen gleichzeitig mindestens zwei, oft aber eine Überlagerung von mehreren Tönen, insbesondere durch Interferenzschwingungen, Kombinationstönen [Ringmodulation] oder bei Verwendung von Obertongesangstechnik und Glissando. Die Ausgeprägtheit dieser Art Polyphonie hängt auch stark von der Akustik des Raumes ab.
Untertongesang: Gesangstechnik, bei der durch besondere Stellungen des Vokaltrakts mehrere Töne gleichzeitig hervorgebracht werden können. Im Gegensatz zum Obertongesang sind diese Töne nicht Obertöne, also ganzzahlige Vielfache des Grundtons, sondern ganzzahlige Teiler des Grundtons, sogenannte Subharmonische. Der Untertongesang ist wesentlich schwerer als der Obertongesang; zudem ist eine besondere Technik erforderlich, um die Stimmbänder nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Im Altai Gebiet nennt man diese Gesangstechniken auch Kargyraa: wobei oft auch andere Teile des Kehlkopfs mit in Schwingung versetzt werden [Taschenfalten, aryepiglottische Falten].
Zirkuläratmung: Atemtechnik, mit der gleichzeitig ein- und ausgeatmet werden kann. Das Ausatmen wird dabei in zwei Phasen unterteilt: ein erster Teil der Luftmenge wird mit Zwerchfell und Brustkorb, ein zweiter Teil mit den Wangen und der Zunge ausgestossen. Während der zweiten Ausatmungsphase wird durch Absenken des Zwerchfelles schnell neue Luft durch die Nase eingesogen, die dann augenblicklich wieder für die nächste erste Phase verwendet wird. Bei vielen Blasinstrumenten kann dadurch, wenn auch die entsprechende Ansatztechnik vorhanden ist, über längere Zeit ein permanenter Ton [Bordunton] erzeugt werden. Die Zirkuläratmung findet bei den meisten Völkern der Erde musikalische Verwendung, einzig in der abendländischen klassischen Musik geriet sie weitgehend in Vergessenheit [wohl durch die häufigen Wechsel der Basstöne im Kontrapunkt]. Erst das Aufkommen des australischen Didgeridoos in westlichen Subkulturen verhalf dieser uralten Atemtechnik bei uns wieder zu grösserer Beachtung.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|